UPCYCLING

Upcycling - einer dieser Begriffe, den man mal im Kontext mit Nachhaltigkeit gehört hat. Aber was bedeutet es eigentlich genau? Und macht es in der Modebranche überhaupt Sinn?

Erst einmal rein zum Begriff: UPCYCLING setzt sich aus zwei Wörtern zusammen, “up” bedeutet so viel wie “nach oben” und das “cycling” ist mit dem englischen recycling verwand, was soviel bedeutet wie “wiederaufbereiten”.  Recycling kennen die meisten wohl im Zusammenhang mit Pfandflaschen, denn da kann im Idealfall aus einer Plastikflasche eine neue Plastikflasche gemacht werden - also ein Produkt der gleichen Wertigkeit wie zuvor. Beim Upcycling soll jedoch im Idealfall ein neuer Wert geschaffen werden - also beispielsweise aus einer alten, aus der Mode gekommenen Jeans eine neue, modische Tasche herzustellen. So gibt man der Jeans ein zweites Leben und hält das Material länger im Kreislauf. Die Neuproduktion und Verwendung von Rohmaterialien wird somit reduziert und Ressourcen werden gespart. Speziell in der Mode spricht man häufig auch von „refashion“ – dem Umgestalten oder Neugestalten alter Kleidung. 

RETHINK → REFASHION!

Upcycling ist, wenn aus etwas das gesellschaftlich oder wirtschaftlich keine Wert mehr hat, etwas neues, realitätsnahes entsteht.

 

Die Geschichte des Upcycling

Der Upcycling-Trend in der Mode scheint eine junge Bewegung zu sein. Immer mehr klima- und umweltbewusste Menschen versuchen sich an neuen Konsummustern und so gilt es inzwischen als hip etwas “upgecycletes” zu tragen. Vor allem wenn das Kleidungsstück erkennen lässt, dass es einmal etwas anderes war! Aber ist das wirklich eine neue Bewegung?

Wir haben das mal bildlich für euch zusammengefasst:

 

 

Heute scheint das upcycling zwar ein revival zu erleben - eigentlich war es aber schon immer da, ob aus Notwendigkeit oder als politische Einstellung.

 

Upcycling in der Modeindustrie - wie ist der Stand heute?

Fast Fashion Giganten, wie H&M, Zara und Co sind häufig in der Kritik wegen den menschenfeindlichen Bedingungen, unter denen sie produzieren lassen. Was seltener besprochen wird, ist die Umweltbelastung der billigen Massenware - die ist nämlich enorm:


Fakt ist leider, dass die Modeindustrie einer der größten Umweltverschmutzer ist. Allein die Produktion der Textilien stößt jedes Jahr mehr CO2 aus, als der gesamte Flug und Schiffverkehr zusammen. Doch damit nicht genug, denn die meisten Textilien werden mit Chemikalien gefärbt und behandelt, die ganze Wassersysteme vergiften. Was die Trendfarbe der kommenden Saison sein wird, kann man schon Wochen vorher in den Flüssen Indiens sehen. In Folge haben Millionen Menschen kein sauberes Trinkwasser, leiden unter Hautausschlägen, Verlust des Geruchssinns und Krebs. Meist werden die Substanzen um die halbe Welt gesendet und kontaminieren noch Ökosysteme weit entfernt von den Textilfabriken. Beispielsweise wurden Chemikalien der Textilindustrie schon im Gewebe von arktischen Eisbären nachgewiesen.


Und das ist nur die grobe Zusammenfassung (mehr zum Thema findet ihr in unserem Materiallexikon) - doch damit nicht genug. Die aufwendig produzierte Ware wird einige Wochen zum Verkauf angeboten, bald reduziert und wenn sie sich als Ladenhüter entpuppt verbrannt. Auch das ist leider nicht die Ausnahme, jeden Tag landen tonnenweise einwandfreie Kleider in den Flammen. Das ist nicht nur eine unfassbare Verschwendung von Ressourcen, sondern auch eine unnötige Schadstoffbelastung für Mensch und Natur. 


Klar denkende Menschen werden hier einwerfen, dass es doch auch für die Konzerne nicht wirtschaftlich sein kann massenhaft ihre Ware zu verbrennen - tatsächlich ist es aber häufig billiger neu zu produzieren, statt Vorhandenes aufzuwerten. Das liegt unter anderem auch an den unterirdischen Löhnen, die Fast-Fashion Labels bezahlen. Es werden schlicht mehr Kleider produziert als jemals verkauft werden könnten, um die Preise unten zu halten - ein Teufelskreis, der von der Sucht nach neuen Kleidern getrieben wird.


Doch immer mehr Menschen hinterfragen dieses System und auch die Fast-Fashion Labels vertreiben immer mehr Stücke, die entweder komplett oder zumindest zum Teil aus recycelten Materialien bestehen. Zusätzlich gibt es in manchen Filialen Sammelstellen für Altkleider - zum Dank bekommt der Spender dann einen Rabatt-Gutschein um doch wieder die neuen, billigen Teile zu shoppen. Angeblich werden die gespendeten Kleider dann recycelt - was höchst unrealistisch ist: Mischgewebe, aus denen die meisten Fast-Fashion Stücke bestehen, sind schwieriger nach Fasern zu trennen und folglich auch schwieriger wieder in neue Kleidungsstücke zu recyceln.


H&M stellte beispielsweise zwei innovative Maschinen in ihren Flag-Ship-Store. Die sollten vor Ort Baumwoll- und Polyestermischungen durch einen hydrothermalen Prozess trennen und das Thema näher an den Konsumenten bringen. Das hört sich erstmal gut an, aber der Prozess ist langsam und wie viele dieser Maschinen bräuchte man, um wirklich etwas zu bewirken? Im Moment scheint es nur ein Spielzeug für H&M-Kunden zu sein, die ihre alten Klamotten loswerden und ihr Gewissen beruhigen wollen, bevor sie wieder das Gleiche kaufen. Außerdem gibt es noch kein Verfahren, dass nicht neue Stoffe hinzufügen müsste, um „das Material zu stärken“. Den genauen Anteil von Alt- und Neumaterialien gibt H&M derzeit nicht preis, nur, dass das Unternehmen daran arbeitete, diesen Anteil „so gering wie möglich“ zu halten.


Klingt also eher nach einem Marketingtrick gegen das ungute Gefühl im Magen, wenn man seinen Gutschein einlöst.


Auch das Schlagwort “Oceanplastic” gibt dem Konsumenten ein gutes Gefühl - das klingt als hätte der Konzern unter viel Mühe Müll aus unseren Meeren gesammelt und dann ein innovatives Produkt geschaffen. Doch ist dem so? Wahrscheinlicher ist, dass Produkt ist aus Plastik hergestellt, das an Stränden gesammelt wurde - außerdem werden dem Produkt im recyclingprozess Chemikalien, Farbstoffe und - Überraschung - neues Plastik zugefügt.
Adidas beispielsweise gab rückwirkend zu ihrem Ocean-Plastic-Schuh bekannt, dass ihr “recycelter” Schuh zu einem Großteil aus neuem Material bestand, und dass auch der recycelte Teil eben nicht aus dem Ozean stammte.

 

Auch Sneaker sind in der Greenwashing-Maschienerie der großen Labels zum Thema geworden. Gerade das Recycling-Verprechen ist meist mehr als nur übertrieben: Moderne Sneaker sind einfach nicht dafür gemacht, dass sie recycelt werden könnten. Mehr zu diesem Thema könnt ihr in der sehr gelungenen  STR+F - Reportage zu diesem Thema erfahren.

 

Was macht SFAN anders?

Wie oben ausführlich erklärt, ist es, insbesondere in der Mode-Branche, ein Statement gegen die Wegwerfmentalität Kleidung im Kreislauf zu halten. Seine Kleider zu pflegen und lange zu behalten kommt in unserer Welt einem revolutionärem Akt gleich.

Für Unternehmen die sich fürs upcyceln interessieren gibt es mehrere Möglichkeiten an ungenutzte Stoffe und abgelegte Kleider zu kommen: 

 

Secondhand-Shopping

Wir haben da ganz klein und lokal angefangen: Wir sind über Flohmärkte und durch Second-hand-Läden gestreunt - eine unserer Lieblingsadressen um Rohstoffe zu shoppen ist tatsächlich Oxfam. Aber auch auf digitale Plattformen wie Depop oder Vinted werden wir immer wieder fündig.

 

Freunde und Verwandte

Seit wir unser Label gegründet haben und immer mehr Menschen in unserem Freundes- und Bekanntenkreis für die Probleme der Industrie sensibilisieren, erreichen uns immer wieder Fragen, wohin man seine Altkleider guten Gewissens spenden kann. Dafür haben wir einen Blogeintrag verfasst, der sich mit dieser Problematik beschäftigt. Wir freuen uns aber natürlich auch immer darüber, wenn uns Spenden erreichen!

 

Organisationen

Es gibt allerdings auch Materialpoools wie den Textilhafen in Berlin - hier werden Kleiderspenden sortiert und unbrauchbare Ware zu Kilopreisen an upcycler verkauft. In Zukunft planen wir Kooperationen mit der deutschen Kleiderstiftung und der Diakonia. Wer sich hier empört, dass die Kleiderspenden nicht an Obdachloose oder Bedürftige gehen, kann sich gleich wieder abregen. Die guten Kleider werden genau dafür verwendet, aber viele der Kleiderspenden sind eben nichtmehr gut genug. Die Gründerinnen vom Textilhafen erklären immer wieder, dass zur Wahrung der menschlichen Würde auch ein gewisser Respekt gegenüber ordentlicher Kleidung gehört. Außerdem könnt ihr euch gerne einmal unseren Blogeintrag zu Kleiderspenden durchlesen, denn die meisten Kleider treten eine sehr andere Reise an, als von den Spendern gedacht.

 

Modelabel

Da wir Beide vor der Gründung von SFAN schoon in der Mode gearbeitet haben, haben wir auch noch gute Kontakte zu unseren ehemaligen Arbeitgebern aus der Branche. Die meisten Label haben übriggebliebenen Stoff herumstehen, den sie nichtmehr benutzen können: In der Regel bestellen Designer bis zu 30% mehr Stoff, als sie für einen Auftrag bräuchten, denn man muss von Stofffehlern und B-Ware ausgehen. Durch die Staffelpreise der Stofflieferanten kann man im Nachhinein keine kleineren Quantitäten mehr nachbestellen ohne den Preis vom Endprodukt zu erhöhen und so sammelt sich eben über die Jahre ein großes Stofflager an. Und da die Kunden jede Saisoon wieder neue Muster und Farben erwarten, sind diese nicht mehr zu benutzen - was vollkommen absurd ist, den Gewebe haben schließlich kein Ablaufdatum wie Lebensmittel. So können wir häufig übriggebliebene Deadstock-Gewebe zu fairen Preisen abkaufen.

Auch Stoffmuster, Strick-samples oder Knopfkarten die Designern massenweise von Stofflieferanten zugesendet bekommen, dienen uns als Rohstoff. Viele unserer Kleider mit nur einem Knopf haben unterschiedliche Knöpfe, da wir die Bespielknöpfe in mühevoller Handarbeit von den Beispielkarten abtrennen. Aber auch die kleiinen Quadratischen Strickmuster der Garnlieferanten finden in unseren Lotti Tops Verwendung.

 

Deadstock

Inzwischen haben auch Stofflieferanten das Problem mit den übriggebliebenen Stoffen erkannt. Fabrichouse führt beispielsweise die Kategorie “Circular Fabrics”. Hier werden Stoffe angeboten, die beispielsweise aus Überproduktion stammen.

 

Durch upcycling Produkte wollen wir deutlich machen, dass sich mit vermeintlichem Müll häufig viel mehr anstellen lässt, als ihn einfach in die Tonne zu werfen. Wir sind einfach der Meinung, dass Kleidung nicht in den Müll gehört - auch wenn sie schon lange getragen wurde.
 
Wir wollen, dass Selber-Machen, Reparieren oder Upcyclen nicht nur als Option zum Geldsparen gesehen wird oder man sich aus schlechtem Gewissen dazu zwingen muss. Es sollte keine lästige Tätigkeit sein, sondern eher eine Art Ausdrucksform - mit jedem Loch das wir an unseren Kleidern reparieren, machen wir sie individueller und schätzen die hunderten Menschen wert, die am Entstehungsprozess mitgewirkt haben. Wir können stolz darauf sein, wenn jeder sehen kann, dass wir auf unsere Kleider Wert legen und OBWOHL wir uns Neue leisten könnten - es eben nicht tun. Jeder Aufnäher über einem Loch ist wie ein Orden, den wir uns für einen Moment der Demut verliehen haben.

 

Fazit

Wir bei `Space for a name´ glauben, dass es nicht bei jeder Lebensentscheidung ums Ganze gehen kann. Wir sind alle Menschen und können nicht immer alles perfekt machen. Es geht nicht darum ständig Fehlerverhalten bei Allem und Allen zu finden, sondern doch im Gegenteil darum, dass jeder in seinem Bereich anfängt lokaler und ressourcensparender zu handeln. Anstatt Kritik zu üben, sollten wir versuchen mit positivem Beispiel voran zu gehen und andere Menschen damit zu inspirieren. 

 

Wir sollten an unserer Vorstellung von Nachhaltigkeit arbeiten, denn Verzicht ist nicht immer negativ. Horror Erzählungen über Verbote helfen uns weniger weiter als positive Utopien, die wir selbst mit schaffen können. Martin Luther King hatte schließlich auch keinen Albtraum.


Wir merke es selbst in unserem Freundeskreis, denn dadurch, dass wir viele Sachen selbst machen oder upcyclen sensibilisieren wir viele Menschen in unserem Umfeld dafür, was es für Alternativen für unseren Müll gibt. Es macht einen so großen Unterschied, dass viele Menschen inzwischen Textilien anders betrachten, sich selbst am upcyclen ausprobieren oder die Sachen an die richtigen Adressen spenden

“Hinter dem Upcycling steckt natürlich auch eine Philosophie - upcycling ist aber auch einfach unterhaltsam, weil es überraschend ist, Dinge in einen neuen Kontext zu bringen.”

Let´s be the change